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Die offengelassene Stalltür

[gerichtsbericht]

Die 15jährige Sylvana wohnte mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder Mike in einem kleinen Dorf. Sie hatte eine sehr glückliche Kindheit. Die Familie lebte in Frieden und Harmonie. Mutter und Vater arbeiteten in der Stadt unweit von ihrem Zuhause und verfügten über ein ausreichendes Einkommen. Sie konnte sich sogar zwei eigene Pferde leisten: Den Trakehner Julius für die Erwachsenen und das Pony Fritzi für die Kinder. Die Tiere waren in einem Reiterhof am Ortseingang untergebracht. Auf dem ehemaligen LPG-Gelände gab es viel Platz. Der einzige Nachteil bestand darin, daß Stallungen und Koppeln von einer Landstraße getrennt wurden, die zum Ausreiten überquert werden mußte. Schon mehrfach wäre es beinah zu schweren Unfällen gekommen, weil verantwortungslose Autofahrer mit überhöhter Geschwindigkeit die Chaussee entlangrasten und nicht die geringste Rücksicht auf die sensiblen Tiere nahmen, die am Straßenrand warteten. An einem Sonnabend im Mai kam es zu einer unglücklichen Verkettung von Umständen. Auf dem Reiterhof wurde der Hof gepflastert. Das machte viel Lärm, und zum Führen der Pferde war nur noch ein schmaler Durchgang vorhanden. In der Sattelkammer war in der Nacht eingebrochen worden. Fünf wertvolle Sättel fehlten. Die Betroffenen standen vor der Reithalle und diskutierten aufgeregt mit dem Pächter. Sylvana hatte ihre Dressurübungen beendet und führte Fritzi zurück in den Stall. Sie war neugierig und wollte hören, was besprochen wurde. In der Eile verschloß sie weder die Box, noch die Stalltür ordnungsgemäß. Die Pferde waren wegen des Lärms durch die Pflasterarbeiten übernervös und keilten aus. Der Araberhengst Silberwind riß sich los. Mit Fritzi im Gefolge galoppierte er durch die offenstehende Stalltür auf den Hof hinaus, durch das Tor, die Einfahrt hinunter und dann auf die Landstraße. Dort kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Pkw. Der Araberhengst verstarb am Unfallort. Das Auto hatte Totalschaden. Wer war Schuld gewesen? Der Pflasterer im Hof, der die Pferde reizbar gemacht hatte? Oder Sylvana, weil sie nachlässig gewesen war? Der Besitzer von Silberwind hatte keinen Zweifel, und ebensowenig der Pkw-Halter. Beide verklagten das Kind bzw. dessen Versicherung. Aber welche war zuständig? Ihre Privathaftpflichtversicherung (PHV) oder ihre Tierhalterhaftpflicht-
versicherung (THV)? Das Gericht wußte eine Antwort auf diese schwierige Frage: "PHV und THV schließen nahtlos aneinander an. Wegen ein und desselben Vorwurfs kann deshalb nur eine Versicherung eintritts-
pflichtig sein. Die THV bezieht sich nicht auf alle Risiken im Zusammenhang mit dem Tier. Sie betrifft nur Risiken, die mit der Eigenschaft als Halter oder Hüter des Tieres zusammenhängen. Das Nichtverschließen der Tür hätte auch jedem anderen Besucher des Stalls passieren können." Die Privathaftpflichtversicherung zahlte, aber den Ärger, den Streß, die Schuldgefühle und die Ängste konnte sie nicht mit übernehmen. Sylvanas Kindheit ist zu Ende. Sie hat eine wichtige Lektion gelernt: Das Leben ist ungerecht, sehr häufig jedenfalls.
 

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